Vorwort

Um was geht es: Der Gemeindepräsident der Gemeinde Sundhouse hat still und heimlich mit einer Tochterfirma des Konzern Suez beschlossen, dass in einem Naturschutzgebiet, in der Nachbarschaft der Gemeinden Saasenheim, Richtolsheim, Diebolzheim, Artolsheim eine Schlacken-Kompostier-Anlage errichten werden soll. Dies hätte nebst möglichen Emissionen (die immer bestritten wurden) sowie Grundwassergefährdung (auch beschtritten) einen erheblichen Mehrverkehr an LKW (ca.60'000 /J) bedeutet, die vorzugsweise durch die Gemeinden Mackenheim, Artolsheim, Richtolsheim und Saasenheim (äs heimelet) gedonnert wären. Da dieser Entscheid auf Französischem Demokratieverständnis beruht, hat sich eine Gruppe gebildet, die sich EnvieRied nannte und die gegen dieses Unterfangen ins Felde zog. Ein Erlebnis aus den Anfängen dieser Gruppe war; es sollte dem Präfekten von Bas Rhin (Elsässischer Bezirk des nieder Rhein) ein Protestschreiben über geben werden. Das Ganze untermauert mit einer zünftigen Kundgebung (auch Demonstration genannt). Diese „erste“ Geschichte möchte ich hier weiter geben:



Demo auf Elsässisch

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Es war ja nicht eigentliche eine Demo, wie sich heraus stellte. Das lief wie folgt ab: Es hiess, wir treffen uns um 09:00h in Marckolsheim beim Schwimmbad. Mein Nachbar, Christian, mit Sohn und ich fuhren um 09:01 bei eben diesem Schwimmbad vor. Keine Menschen zu sehen. OK, denker wir, falscher Ort. Wir fuhren Richtung Innenstädtchen. 500 m weiter, ein Typ mit roter, leuchtender Weste, der Autos auf einen Parkplatz einwies. Wow, denk ich, ist ja eine Riesensache hier. „C’est pour la Manifestation“ frag ich. „Qui, qui, le marche“: Toll ein Aufmarsch ist geplant, denk ich. Wir parkieren, laufen Richtung Saal, gehen da rein. Tische, Stühle; Wow, Riesensache hier, denk ich. „C’est pour la Manifestation“ frag ich. „Wase für ein Manifeschtation?“, na wegen der Kompostanlage in Sundhouse“. Die merken sofort, dass wir deutschsprachig sind. „Sundhouse, no, no das isch nischt Sundhouse. Das isch Marckolsheim ier“. „Ja wissen wir, aber hier soll doch die Demo gegen diese Anlage sein?“ „Was für ein Anlag? HEY Louis, viens emol, weisch du epis wäge dere Anlage do in Sundhousen?“ „Sundhouse, da isch nid Sundhouse, da mussen sie in diese Rischtung…“ Aha, auch Louis hat gemerkt, dass wir fremdsprachig sind. „Ja wissen wir, wir kommen ja aus Saasenheim, wir wollen…“ „Saasenheim, ah ja, da müssen sie Rischtung Sundhouse…“ "Danke vielmals".

Es stellte sich heraus, dass hier ein Volkslauf über die Bühne gehen soll, keine Manifestation. Statt Volksaufstand, Volksfitness. Der Typ mit der roten, leuchtenden Weste gab uns dann den Tipp, „ah ja die Anlage, da isch was geplant. Müssen sie da Vorne rechts, dann links und gerade aus, da fallen sie direkt drauf?“ Danke vielmals. Wir glauben ihm, schliesslich trägt er ja eine rote, leuchtende Weste. Der Junge vom Christian, Kevin, fragt noch „ist der Typ besoffen?“ „Nein, der sprich halt so“. Also rechts ja, dann links auch ok, dann gerade aus und nach 500m ist Marckolsheim zu Ende, toll. Baim Parkplatz vor dem Kriegsmuseum vorbei, da steht Polizei. Die sind da wegen dem Volkslauf, ist klar. Weiter und schon sind wir am Rhein. Nein, eine Demo in der Pampas macht keinen Sinn. Wir fahren zurück, nochmals durch das Städtchen Marckolsheim, nichts. Also Irrtum, ab nach Hause.

Bei Mackenheim (nächstes Dorf red.) kommen uns Autos entgegen. Ich erkenne ganz deutlich, mindestens drei Autos sind mit Saaser Köpfen besetzt. Hey, die haben sich in Saasenheim gesammelt und fahren geschlossen an die Demo. Links umkehrt und hinter her. Von den fünf Autos fahren beim nächsten Kreisverkehr zwei nach rechts, zwei nach links, eines gerade aus. Toll, wer, wo, was? Wir fahren nochmals zum Schwimmbad. Da stehen auf einmal Leute rum, mindestens 30 Menschen auf einem Haufen „ist das eine Demo“ frage ich. Kein Gesicht ist uns bekannt, also keine Saaser dabei. Was tun? Komm aussteigen und fragen. Gesagt getan. „Bon Joure, Messieurs, c’est la Manifestation, wegen der Anlage?“ „Ah, sie sind von Rust, Deuschland“, (die haben sofort gemerkt, dass wir deutschsprachig sind). „Nein wir sind aus Saasenheim!“ „Ah le Vertreter de Saasenheim. Ja das isch für das Briefübergabe. Kommen nosch mehr us Saasenheim?“ „Ja wir denken schon, aber abgemacht war doch neun Uhr“? „Ja wissen sie, in Frankraisch läuft ain wenig anders. Wenn sie aben wollen die Leut um zehn Ühr, sie muss sagen um neun Ühr, dann alle sind um zehn Ühr da, comprise?“ Aha, bien venus a la Demonstration francaise, denk ich. Bis Zehn waren auch tatsächlich noch paar Saaser mehr angekommen. Dann konnten wir los, zu der Briefüberreichung. Mittlerweile kam zur Kälte noch der Regen. Glücklicherweise habe ich einen Schirm dabei.

Wir liefen also los und landeten genau auf dem Parkplatz, beim Kriegsmuseum, wo schon Polizei rum stand. Anlass des Polizei-rum-stehens war; der Präfekt von Bas Rhin kommt um den neuen Fahrradweg ein zu weihen. (Ja in Frankreich ist ein neuer Fahrradweg noch ein Ereignis). Also, anlässlich dieses Besuches, hat das Demonstrationskomitee beschlossen, dem Präfekten einen offenen Brief zu überreichen, (der leider niemand vorher lesen durfte). Also haben die Bürgermeister aus Saasenheim, Dieboltsheim sowie "nur" eine Vertreterin aus Sundhousen (denn der Bürgermeister von Sundhousen ist ja der Initiator der Anlage, also macht es kein Sinn, wenn ER Demonstriert) auf jeden Fall wurden Briefe getauscht, der Präfekt hat zugehorcht, dann noch etwas gesagt (muss er ja als Politiker) und ging zum Fahrradwegeinweihen. Die Demo war dann irgendwie zu Ende. Die 40-50 Leutchen gingen auseinander, einige zum Schoppen nach Strassburg, einige weiss ich wo hin und fini le Manifestation. Ja, das war eine wirklich beeindruckende Kundgebung. Eins hat der Präfekt aus dieser Demo sicher gelernt „Von diesem Häufchen Unzufriedenen brauche ich keinen politischen Gegenwind zu erwarten. Die machen mir mein Leben nicht so schwer!“

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Nachwort:

Das Komitee EnvieRied hat sich in den Wochen danach recht gut organisiert, mit Vorstand, Sprecher, Kassier usw. und hat auch eine ganz ordentliche Arbeit gemacht. Glücklicherweise, hat sich noch das benachbarte Baden-Württemberg für diese Kompostanlage interessiert, denn gleich gegenüber dieser Anlage, auf der Deutschen Rheinseite, lag der Europapark Rust. Auch Herr Mack, Inhaber dieses Parks hat sich in die Debatte eingeschalter. Als grösster Arbeitgeber in der Region (auch für das Elsass) war er natürlich DER Partner schlecht hin, gegen diese Anlage. Nach diversen weiteren (kleineren) Kundgebungen und Infoveranstalltungen wurde diese Anlage tatsächlich verworfen. (Bleibt nur zu hoffen, dass andere Gemeinden nicht so demokrtisch-missgebildete Gemeindepräsitenden haben und auf eine gute Nachbarschaft sowie engagierte Menschen zählen können).

So geschehen 2005


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